Fortfahrend sag' ich, dass schon eine Weile,
Eh' wir zum Fuss des hohen Turms gelangten, .
Zu seiner Höh'sich unser Auge wandte;
Denn aufgesteckt war dort ein Fackelpaar, (4)
Und eine dritt' erwiderte das Zeichen
So fern, dass sie das Auge kaum gewahr ward.
Ich sprach, gewandt zum Meer jedweder Weisheit: (7)
Was will dies Feuer sagen, was entgegnet
Das andre, und wer sind, die sie entzündet? —
Er sagte: Schon kann auf den schmutz'gen Wellen, (10)
Was zu erwarten steht, dein Blick gewahren,
Wenn dich der Nebel nicht am Sehn verbindert. —
Nie schnellte einen Pfeil des Bogens Sehne, (13)
Der so geschwind die Luft durchschnitten hätte,
Als übers Wasser her im Augenblick
Ein Schifflein ich auf uns zukommen sah, (16)
Geleitet nur von einem einz'gen Fährmann.
Der schrie: Bist du nun da, verworfne Seele? —
O Phlegyas, entgegnete mein Meister, (19)
Vergeblich ist für diesmal dein Geschrei;
Zur Überfahrt nur sollst du uns besitzen. -
Wie, wer vernimmt von schmählichem Betruge, (22)
Der ihm gespielt ward, und darob ergrimmet;
So ward, verbissnen Zornes, Phlegyas.
Mein Führer stieg hernieder in den Nachen, (25)
Und da ich dann auf sein Geheiss ihm folgte,
Schien, als ich eintrat, erst der Kahn beladen.
Als beide wir uns nun im Schiff befanden, (28)
Durchschnitt auf seiner Fahrt der alte Kiel
Mehr Wasser, als er tut, trägt er nur Schatten.
Und während wir das tote Moor befuhren, (31)
Taucht' einer vor uns auf, den Schlamm bedeckte:
Wer bist du, rufend, der du vor der Zeit kommst?
Ich sagte: Kam ich, ist's nicht, um zu bleiben: (34)
Doch wer bist du, dass da so ganz besudelt? —
Drauf er: Das siehst du: einer, der da weinet. -
Ich aber sprach: In Weinen und in Trauer (37)
Verbleibe denn, du fluchbeladner Schatten!
Wohl kenn ich Dich, auch wenn Du ganz beschmutzt bist -
Da griff er nach dem Kahn mit beiden Händen; (40)
Doch eilig stiess der Meister ihn zurück
Und sagte: Pack' dich mit den andern Hunden! -
Mir aber schlang er um den Hals die Arme. (43)
Mein Antlitz küssend sprach er: Eiferseele,
Gesegnet sei der Schoss, der dich getragen!
Ein Mensch voll Hochmut war im Leben jener; (46)
Nicht eine Tugend schmückt sein Angedenken,
Drum ist sein Schatten hier von Wut entbrannt.
Wie viele dünken Könige sich jetzt, (49)
Und werden Säuen gleich im Kot hier stecken,
Dort aber Schande nur und Schmach verlassen. -
Ich sagte: Meister, wohl wär' ich begierig (52)
Zu sehn, wie man ihn taucht in diese Brühe,
Bevor wir hinter uns den See gelassen. -
Und er zu mir: Noch eh' die andre Küste (55)
Sich dir gezeigt, wirst du befriedigt werden.
Die Lust, die du begehrst, sollst du geniessen,—
Nicht lange drauf wird von den Schlammbedeckten (58)
Vor meinen Augen jener so geschüttelt,
Dass, dankend, Gott darum noch heut ich preise.
Sie alle schrien:, Es gilt Philipp Argenti! — (6l)
Und der ergrimmte Florentiner Schatten
Zerfleischte sich mit seinen eigenen Zähnen.
Wir liessen ihn. Nicht mehr von ihm erzähl' ich; (64)
Denn meine Ohren traf ein Schmerzenslaut,
Weshalb ich angestrengt nach vorne bücke.
Der gute Führer sagte: Sohn, es nahet (67)
Bereits die Stadt sich, welche Dis genannt wird,
Voll schwerer Bürger und voll grosser Scharen. —
Ich sagte: Meister, ihre Minarette (70)
Erblick' ich wahrlich schon im Tale drunten,
Rotschimmcrnd, als ob Feuer sie durchglühte. -
Darauf entgegnet' er: Die ew'gen Flammen, (78) .
Darin sie brennen, färben sie so rot,
Wie du gewahrst in dieser niedern Hölle.
Wir fuhren in die tiefen Gräben Bein, (76)
Die die verzweiflungsvolle Stadt umgeben;
Die Mauern schienen mir von festem Eisen.
Indes nach langem Umweg erst gelangten (79)
An einen Ort wir, wo mit lauter Stimme
Der Fährmann rief: Steigt aus, hier ist der Eingang! — ,
Ich sah wohl tausend, welche einst vom Himmel (82)
Geregnet, bei dem Tor, die zornig sagten:
Wer ist der eine denn, der ohne Tod
Das Reich des toten Volkes so durchwandert? — (85)
Vorsorglich gab mein Führer zu erkennen,
Dass er geheim mit ihnen reden wollte.
Da dämpften sie denn wilden Zorn ein wenig (88)
Und sagten: Komm allein. Umkehre dann,
Der so verwegen eindrang in dies Reich.
Allein geh' er den tör'gen Weg zurücke, (91)
Wenn er ihn finden kann. Du aber bleibe,
Der durch so dunkles Land ihn hergeleitet. -
Nun denk' dir, Leser, ob ich ward entmutigt (94)
Beim Tone der vermaledeiten Worte;
Gewiss, ich dachte nimmer heimzukehren.
O teurer Führer, der du siebenmal (97)
Und öfter Sicherheit zurück mir gabest
Und mich aus dringender Gefahr befreitest
Verlass mich nicht in solchen Nöten, sagt' ich; (100)
Ist uns das Weitergehen verwehrt, so lass uns
Gemeinsam rückwärts unsren Pfad durchmessen. -
Mein Meister, der bis dorthin mich geführt, (103)
Erwiederte: sei furchtlos, unsre Reise
Kann niemand hemmen, solche Bürgschaft hat sie.
Nun aber bleibe hier und speis' und stärke (106)
Den müden Geist mit Hoffnung und Vertrauen
Dass in der untern Welt ich dich nicht lasse
Also verlässt mich, also geht von dannen (109)
Der süsse Vater, und zurück in Sorgen .
Bleib' ich, weil Ja und Nein im Haupt mir streiten.
Was er zu ihnen sprach, kann ich nicht sagen; (112)
Doch lange halt' er nicht geweilt mit ihnen,
Als um die Wett' ins Tor ein jeder eilte.
Die Pforte schlossen unsre Widersacher (115)
Vor meinem Herrn, dem sie den Einlass wehrten
Und der die Schritte zögernd zu mir wandte,
Die Augen senktt er nieder, von den Brauen (118)
Schien jeder Mut geschwunden, und mit Seufzen
Sagt er: Wer wehrte mir des Schmerzes Wohnstatt? -
Drauf wandt' er sich zu mir: Erzürn' ich gleich, (121) :
So fürchte deshalb nicht, denn siegen werd' ich,
Was man zur Abwehr drinnen auch versuche,
Nicht neu ist solche Frechheit mir an ihnen; (124)
An weniger geheimem Tor, das seitdem
Verschlusslos blieb, bewährten sie sie schon.
Auf ihm gewahrtest du die tote Inschrift. (127)
Diesseits von ihm steigt schon den Abhang nieder,
Durchschneidend ohne Führer all die Kreise,
Der, dessen Macht uns,wird die Pforte öffnen. (130)
Digitalisierte Erläuterung: